Archiv für den Monat: März 2015

Das neue Team auf der Fazenda Wattwil

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Seit Februar leben drei neue Fazenderos im Klösterli. Hier stellen sie sich vor und erzählen von ihren Erfahrungen: 

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Ich bin Roland und komme aus Berlin. 1998 habe ich meinen Zivildienst auf der damals ersten Fazenda ausserhalb Brasiliens gemacht, auf Gut Neuhof bei Berlin. Das war eine sehr tiefe Erfahrung für mich. Das gemeinsame Leben mit jungen Menschen aus verschiedenen Ländern, von denen viele schwere Erfahrungen von Sucht und Hoffnungslosigkeit durchgemacht hatten und die Kraft zu spüren, die ein Leben mit Gott uns gibt, trotz aller Schwierigkeiten gemeinsam zu leben und zu arbeiten, hat mir eine grosse Freude gegeben. Ich bin auf die Fazenda geblieben. Mein Studium habe ich gar nicht angefangen.

Der Aufbau der Fazenda auf einem verfallenen Gutshof war eine spannende Aufgabe, genauso vielfältig war der Aufbau der Gemeinschaft von sehr unterschiedlichen Menschen, gerade Jugendliche aus dem Osten Deutschlands haben oft überhaupt keine Beziehung zum Glauben mehr – und waren dann oft erstaunlich offen dafür, die Liebe Gottes zu entdecken.

2003 wurde ich eingeladen, zusammen mit Ehemaligen und Freiwilligen aus Brasilien, Deutschland und der Schweiz die erste Fazenda in Asien, auf den Philippinen aufzubauen. Auf der Insel Masbate, im Zentrum des Archipels, hatten wir eine 240 Hektar grosse Farm geschenkt bekommen. Am Anfang war es nicht leicht- Klima, Kultur, Sprache und Essen- alles war neu. Wir mussten langsam herausbekommen, was unsere Kultur ist, die wir aufgeben müssen und was wirklich Fazenda Leben ist, welche wir hierher bringen müssen. Ein wichtiger Schritt war Tagalog zu lernen, die offizielle Landessprache – danach war ich ein grossen Stück mehr zuhause. In elf Jahren bauten wir eine schöne Gemeinschaft auf, die sich finanziell selber trägt, durch den Anbau von Reis, Mais, Gemüse und Maniok, die Haltung von Rindern, Schweinen, Schafen und Hühnern, die Herstellung von Milch, Käse, Brot, Honig, Zucker, Speiseöl und so einigem mehr.

Wir haben über 100 Jungs und 20 Mädchen, die ihre Rekuperation abgeschlossen haben und eine gute Zahl von Freiwilligen und Ehemaligen, die auf den inzwischen drei Fazendas auf den Philippinen und auch in Brasilien helfen.

Das letzte halbe Jahr war ich auf der Fazenda in Mosambik, ein alter Traum von mir Afrika mal ganz hautnah kennenzulernen. Es war eine wundervolle Erfahrung, die Freude und Glaubenskraft dieser Menschen zu erleben!

Seit Ende Januar bin ich jetzt auf der Fazenda in Wattwil und freue mich auf diese ganz neue Herausforderung – und über den Schnee, den ich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen habe… Ich lerne schon Schweizerdeutsch und versuche auch hier, die Eigenheiten von Land und Volk zu verstehen und gemeinsam mit dem Team zu schauen, welche weiteren Schritte Gott von uns hier verlangt.

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Mein Name ist Mirco, ich bin 25 Jahre alt. Ich besuche die Fazenda schon seit acht Jahren regelmässig und lebe jetzt seit einem halben Jahr als Freiwilliger in der Gemeinschaft, erst in Boppard und seit 2 Wochen in der Schweiz. Ich bin gelernter Metallbearbeiter und stand gut im Leben. Ich wollte schon immer anderen Leuten helfen und das, was mir im Leben geschenkt wurde an Erfahrungen weiter geben. So habe ich mich entschieden auf die Fazenda zu gehen. Ganz groß waren für mich zwei Worte: Loslassen und Lieben. Es war nicht immer einfach aber es hat geklappt. Und im Januar wurde ich gefragt, ob ich als Freiwilliger in der Schweiz meine Erfahrungen sammeln möchte und ich habe ohne weiteres  Ja gesagt. Ich bin jetzt hier und hoffe auf eine gute Zeit und Erfahrungen.

P1170744 (4)Ich heisse Luciano Santos da Silva, bin gebürtig aus Rio de Janeiro in Brasilien. 11 Jahre lang habe ich Drogen genommen. 2002 habe ich die Fazenda da Esperança  in Teresópolis nahe Rio kennengelernt und dort ein Jahr Rekuperation gemacht und – das wichtigste – mich selber und Gott entdeckt. Nachdem ich mein Jahr beendet hatte, wurde ich eingeladen, mitzumachen bei der Eröffnung einer neuen Fazenda. Also blieb ich noch ein Jahr als Freiwilliger und schon da wuchs in mir der Wunsch, mich in diesem Werk, das mir mein Leben zurückgegeben hatte, zu verschenken. Ich blieb weiter auf der Fazenda und nahm 2004 an der „Schule der Gemeinschaft“ teil, eine Möglichkeit nah bei den Fazenda Gründern Nelson und Frei Hans zu wohnen, mit ihnen zu leben und noch mehr von ihnen zu lernen. In den 12 Jahren, die ich auf der Fazenda bin, war ich Verantwortlicher für Fazendas in Braganca do Pará, Marechal Deodoro und Pouso Alegre in Brasilien, Guadalajara in Mexico und habe auch eine Zeit auf der Mutterfazenda in Guartinguetá gelebt. Ich nahm teil an der Mission zur Eröffnung von verschiedenen neuen Fazendas. 2013 wurde ich versetzt auf die Fazenda in Bickenried in Deutschland, wo ich ein Jahr lang blieb. Ich darf jetzt eine Weile auf der Fazenda in Wattwil in der Schweiz leben, wo wir mit viel Freunde die Arbeit wieder aufgenommen haben, dieses wunderschöne Kloster mit ihrer reichen 400jährigen Geschichte mit Leben zu füllen.

Wellness für Geist und Seele

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Joe lebte für eine Woche auf der Fazenda in Wattwil mit, um das Leben der Gemeinschaft kennen zu lernen und etwas Ruhe zu finden. Hier berichtet er von seiner Erfahrung.

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Mein Name ist Joe und ich suchte einen Ort, um während einer Woche eine Auszeit zu machen. Ich fühlte mich gestresst durch den Alltag und merkte immer mehr, dass ich an meine Grenzen komme und ein Burnout droht.

Ausserdem werde ich dieses Jahr 60 Jahre alt und die Nachfolgeregelung unseres Kleinbetriebs belastet mich sehr. Ebenfalls wurde ich von meiner Frau und einer guten Freundin bestärkt, einmal eine Auszeit zu nehmen um für mich selber mal Zeit zu haben.

Über einen Umweg bin ich auf die Homepage der Fazenda in Wattwil gestossen. Dort sah ich, dass man auch eine Auszeit machen kann obwohl das Hauptanliegen der Fazenda natürlich das Freiwerden von Drogen und Alkohol sowie jeglichen Arten von Abhängigkeiten ist. Aber ist Stress, Burnout usw. nicht auch eine Art Abhängigkeit? Was mich auch ansprach war das Konzept der drei Säulen „Gemeinschaft, Arbeit und Spiritualität“. Also habe ich mich angemeldet und bin am Sonntagnachmittag im Kloster eingetroffen. Ich wurde von Roland dem Hofleiter herzlich empfangen und er führte mich auch gleich durch das Kloster, welches  mich sehr beindruckte. Ich konnte dann ein Einzelzimmer beziehen und habe die Nacht auf Montag sehr gut geschlafen, was bei mir an einem neuen Ort nicht selbstverständlich ist.  

Um 6:30 gab es dann Morgenessen und dann war Andacht bis ca. 8:00 Uhr. An die Andacht musste ich mich noch gewöhnen, denn das war ganz neu für mich. Aber bis Ende Woche war es für mich auch sehr bereichernd. Dann ging es an die Arbeit mit Roland, Mirco, Luciano und Dominik. Die Woche war geprägt durch Holzen, Schafe füttern, Fliesen instand stellen usw. Ich musste „nur“ körperlich arbeiten und endlich konnte ich mal abschalten. Die Arbeiten machten mir viel Freude und die Mithilfe auf der Fazenda geschah völlig freiwillig. Wir hatten immer wieder Möglichkeiten uns mit den verschiedenen Helfern auszutauschen und da entstanden viele interessante Gespräche. Ich musste keine Mails oder SMS beantworten und mein Natel war im Zimmer. Ich habe die ganze Woche nur zwei SMS geschrieben und einmal telefoniert und das war sehr befreiend. Ich hatte natürlich meinem Umfeld vor meine Abreise kommuniziert, dass ich nur in Notfällen erreichbar sei!

Am Ende der Woche fragte mich Roland, wie es mir ergangen sei und ich gab ihm folgende Antwort:

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Für mich war es eine sehr positive Erfahrung und ich möchte keine Stunde missen! Ich kam mit einem komischen Gefühl, aber ich freute mich auch auf das Unbekannte. Ich machte diese Woche unglaublich viele positive Erfahrungen, traf sehr viele liebe Leute und hatte sehr viele interessante Gespräche. Für mich waren es die erholsamsten Ferien seit langem, obwohl ich zum Teil körperlich an meine Grenzen kam. Aber ich hatte eine grosse innere Ruhe. Diese Ruhe kam einerseits von den Personen mit denen ich zusammen arbeitete und zum Anderem vom Kloster selber, das einfach eine spezielle Atmosphäre ausstrahlt und ich fühlte mich sehr wohl in dieser Umgebung.

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Ich habe diese Woche gelernt, dass ein Leben ohne moderne Kommunikation, mit körperlicher Arbeit und vielen interessanten Gesprächen eine sehr hohe innere Zufriedenheit gibt.

Ich kann so eine Auszeit allen empfehlen, die den modernen Alltag hinter sich lassen und etwas für sich selber machen möchten. Ich nenne es mal „Wellness für Geist und Seele“.

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