Wattwil. «Die Kirche ist im Wandel, ältere Gemeinschaften haben schon längere Zeit Mühe, in derselben Form fortzubestehen», sagt Jan Colruyt. Da biete sich mit der Fazenda da Esperança (siehe Kasten) eine optimale Lösung an. Und diese Lösung wird von Tag zu Tag konkreter, so der Lichtensteiger Pflegefachmann und Geschäftsführer der Fazenda da Esperança, die im Kloster bald Realität ist.
Am 4. Oktober 2011 wurden mit der Gründung des Träger- sowie des Fördervereins erste Pflöcke eingeschlagen. Seither steht Jan Colruyt in stetem Kontakt mit den Gründern der Fazenda da Esperança – allen voran der deutsche Pater «Frei» Hans Stapel, der noch immer in Brasilien lebt –, welche auch das oberste Gremium aller Fazendas darstellen. Ebenso pflegt Jan Colruyt Kontakt zu den lokalen und kantonalen Behörden. «Es gilt Vereinbarungen mit der Politischen Gemeinde Wattwil oder der Denkmalpflege zu treffen», konkretisiert der Geschäftsführer.
Vereinbarungen mit Gemeinde
Insbesondere betrifft eine solche Vereinbarung die Regelung im Falle dessen, dass ein Rekuperant Sozialhilfe bezieht. Gemäss dem Wattwiler Gemeindepräsident Alois Gunzenreiner seien diesbezüglich Gespräche im Gange. «Noch hat der Gemeinderat diese noch nicht verabschiedet, weshalb ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht im Detail informieren kann.» Im Grundsatz gehe es in den Vereinbarungen darum, Verbindlichkeiten zu schaffen, die über das Konzept hinaus reichen, das die Initianten der Fazenda der Politischen Gemeinde vorgelegt haben.
«Die Wattwiler wollen wissen, ob eine Fazenda da Esperança den Bürger etwas kostet», bringt es Alois Gunzenreiner auf den Punkt. Was beim Bezug von finanzieller Sozialhilfe zutreffen würde, selbst wenn sich ein Rekuperant nicht in der Gemeinde anmeldet. «Es gibt ein Gesetz über Zuständigkeiten, das besagt, dass zu dem Zeitpunkt, da jemand die Absicht des dauernden Verbleibs in einer Gemeinde zeigt, diese bei dessen Bürgergemeinde eine Rückerstattung der Sozialhilfe einfordern kann», erläutert der Gemeindepräsident. Dies allerdings nur über den Zeitraum von maximal zwei Jahren. Da jedoch davon die Rede ist, dass die Bewohner der Fazenda zwischen einem und zwei Jahren hier bleiben werden, treffe die Rückforderungspflicht theoretisch zu.
«Wir werden sicher dafür sorgen, dass die Rekuperanten vor Ablauf von zwei Jahren Wattwil verlassen», bestätigt Jan Colruyt. Die Rekuperanten verpflichten sich für mindestens ein Jahr. Nach erfolgreichem Abschluss des Jahres schaue man mit ihnen, welches die nächsten Schritte sein könnten: «Eine Ausbildung, ein Beruf, Familie, noch ein paar Monate verlängern oder einer Berufung nachgehen. Wir stellen sie sicher nicht auf die Strasse, sondern suchen eine nachhaltige Lösung», so Jan Colruyt. Diejenigen, die noch weitere Zeit bei der Fazenda bleiben möchten, können eine Weile in Wattwil bleiben, oder sie machen Erfahrungen in anderen Ländern. Es komme praktisch nicht vor, dass ein Rekuperant mehr als zwei Jahre auf der gleichen Fazenda bleibe.
Förderung aus breiten Kreisen
Jan Colruyt hat sich in den vergangenen Monaten auch mit praktischen Fragen auseinander setzen müssen. «Es gibt Entscheidungen zur Einrichtung zu treffen, Versicherungen abzuschliessen oder die Buchhaltung zu machen.» Auch die Beschaffung finanzieller Mittel gehöre ins Aufgabengebiet des Geschäftsführers. Diverse Gönner und Sponsoren habe man gefunden. «Insbesondere in kirchlichen Kreisen findet die Idee grosse Unterstützung – und das auch ausserhalb der Ostschweiz», sagt Jan Colruyt ohne genauer auf Namen einzugehen.
Bezüglich Inventar habe man noch einiges zu beschaffen respektive zu entrümpeln, bevor im Mai eine Gruppe von rund 12 ehemals Drogenabhängigen in den Pachthof einziehen kann. «Bei über einhundert Räumen in der gesamten Klosteranlage sind wir da nicht so schnell durch», meint Jan Colruyt mit einem Schmunzeln. Im grossen und ganzen könne das Kloster samt Pachthaus in seiner jetzigen Form genutzt werden. «Die Kirche hat vor rund 20 Jahren eine Gesamtrenovation erlebt und ist insofern in gutem Zustand», erläutert der Geschäftsführer, «und auch das Pachthaus kann abgesehen von kleineren Massnahmen so übernommen werden.» Künftige Sanierungen werde man je nach finanzieller Lage anschauen. Überhaupt gelte es, keine konkreten Pläne bezüglich der Gestaltung in und um die Fazenda zu treffen. Genau dies sei ein ursprünglicher Gedanke einer Fazenda da Esperança: «Alles reift und wächst. Man braucht nur offen für das zu sein, was Gott mit einem vor hat. Eine Fazenda startet quasi bei null, nämlich bei dem, was man hat. Wir können uns glücklich schätzen, wenn wir beim Einzug der Rekuperanten über 15 Matratzen verfügen.» Gemeinschaften in anderen Teilen der Welt haben gezeigt, dass sich im Laufe der Jahre einiges umsetzen lasse.
Entscheide aus Brasilien
Entscheidende Belange um eine Fazenda da Esperança werde in Absprache mit den Gründern geregelt. So auch die Wahl eines Hofleiters und dessen Helfer, die letztlich mit den Rekuperanten im Pachthaus leben werden. Am Funktionieren der Gemeinschaft seien immer auch Freiwillige oder ehemalige Bewohner beteiligt, sagt Jan Colruyt. Ebensolche werden auch an der Startetappe anfangs April, wenn es darum geht, den Betrieb vorzubereiten, im Pachthaus einziehen. Verstärkt wird diese Gruppe während dieser Zeit von einer kleinen Schwesterngemeinschaft, die im eigentlichen Klostergebäude leben wird. «Die Schwestern sind oft die Seelsorgerinnen in der Fazenda», erklärt Jan Colruyt. Bezüglich einer Schwesterngemeinschaft sei man derzeit in Abklärung, noch kann keine konkrete Gruppe genannt werden. Auch lasse sich nicht mit Sicherheit sagen, dass stets genügend Schwestern gefunden werden können: «Auch das zeigt sich mit dem Wachsen und Entwickeln der Fazenda», meint der Geschäftsführer.
Zugänglich für Öffentlichkeit
Die Fazenda da Esperança braucht im übrigen keine Betriebsbewilligung, da es sich bei der Gemeinschaft nicht um eine eigentliche Therapiestätte handelt, sondern vielmehr um eine Wohngruppe mit Selbsthilfecharakter. Diese Wohngruppe können die Rekuperanten jedoch nicht ohne Begleitung verlassen. Einen Austausch mit der Bevölkerung soll es trotz allem geben: «Wir können uns vorstellen, ein öffentliches Café einzurichten, welches jeden Sonntag geöffnet hat», so Jan Colruyt. Ebenso werde die Kirche weiterhin durch die hiesige Pfarrei genutzt werden können und den Pilgergruppen sollen die Klosterräumlichkeiten zur Übernachtung zur Verfügung stehen. Für die Bevölkerung gelte es in jedem Fall einige Regeln zu beachten. «Wir erwarten, dass Besucher hier nicht rauchen oder Alkohol konsumieren.»
Die offizielle Eröffnung der Fazenda da Esperança im Kloster Maria der Engel ist auf den 17. Juni angesetzt. Damit verbunden ist ein Tag der offenen Tür mit einer Eucharistiefeier durch Bischof Markus Büchel.
Olivia Hug